Ein bisschen Bodenchemie


Die Trennung zwischen ,chemisch' und ,natürlich'  ist für mich eines der unglücklichsten Missverständnisse, die der Zeitgeist mit nachhaltiger Penetranz kultiviert. Das muß ich an dieser Stelle auch als 'Nichtchemiker' und naturverbundener Mensch einfach mal sagen, weil es nicht zum Verständnis der biologischen Vorgänge beiträgt, die unsere ,lebenserhaltenden Systeme' am Laufen halten. Aus diesem Grund hat mich auch interessiert, was den Boden ,lebendig' macht und deshalb bin ich in dieses Thema etwas tiefer eingestiegen.

Hauptnährstoffe und Spurenelemente

Pflanzen nehmen Nährstoffe in einer ganz bestimmten Form auf, nämlich als positiv oder negativ geladene Moleküle (Anionen und Kationen). Es spielt keine Rolle ob diese Nährstoffe in Form von reinen Mineralsalzen (Mineralischer Dünger) oder in organisch gebundener Form (organischer Dünger) verabreicht werden. Der Unterschied besteht darin, dass sich Nährstoffe, die gebunden sind, viel länger im Boden halten und nicht so schnell durch den Regen ausgewaschen werden und dann im Grundwasser landen.


Spurenelemente sind für Pflanzen lebenswichtig, werden aber nur in winzig kleinen Mengen benötigt, während die Hauptnährstoffe sozusagen ‚Grundnahrungsmittel‘ sind. Pflanzen nehmen überwiegend positiv geladene Teilchen auf, was die elektrische Ladung und die elektrische Leitfähigkeit der Pflanze erst einmal ins Ungleichgewicht bringt (ja, in Pflanzen fließen sehr kleine elektrische Ströme, genauso wie in unserem Nervensystem und im Gehirn). Deshalb gibt die Pflanze positiv geladenen Wasserstoff (H+) über die Wurzeln ab, z.B. in Form von Kohlensäure (H2CO3). Dies senkt den pH-Wert in der Nähe der Wurzeln erheblich, d.h. die Erde nahe den Wurzeln wird sauer und dies wiederum bewirkt, dass aus den im Boden vorhandenen Tonmineralien wiederum Nährstoffe gelöst und für die Pflanze verfügbar gemacht werden.

Sauer oder nicht-sauer, dass ist hier die Frage

Der pH-Wert gibt Auskunft darüber, ob der Boden sauer, neutral oder basisch bzw. alkalisch reagiert. Das ist wichtig, da die Verfügbarkeit von Nährstoffen für Pflanzen mit dem pH-Wert stark schwanken kann.


Der pH-Wert mißt die Wasserstoffionen-Aktivität in wässrigen Lösungen (potentia Hydrogenii). Je höher die Konzentration der Wasserstoffionen in einer wässrigen Lösung, desto niedriger ist der pH-Wert. Die Skala geht von 1 (sehr sehr sehr sauer) bis 14 (ungeheuer alkalisch). 7 liegt in der Mitte und ist ‚neutral‘, dies entspricht dem Wert von reinem, destilliertem Wasser. Die magische Zahl 7 darf man sich also merken.


Um den pH-Wert des Bodens zu messen, löst man Erde in destilliertem Wasser in einem Verhältnis von 1:1 (z.B. 30 g Erde in 30 g oder 30ml destilliertem Wasser). Mit Lackmuspapier oder anderen Teststreifen, die es in jeder Apotheke zu kaufen gibt, z.B. zur Messung des Säuregehaltes im Urin, kann man dann recht einfach den pH-Wert an einer Farbskala ablesen. Das sind kleine Experimente, die Spaß machen und ziemlich aufschlussreich sein können. Natürlich ist diese Analyse ungenau, aber da die pH-Skala eine exponentielle Skala ist, genügt das für meine Zwecke vollauf.


Die allermeisten Pflanzen wachsen in einem neutralen bis leicht saurem Boden besonders gut. Ackerboden sollte deshalb einen pH-Wert von 6,5-7,5 aufweisen. Alle Böden haben die Eigenschaft, dass sie mit der Zeit saurer werden. Die Gründe hierfür sind:


  • Die Wurzeln von Pflanzen setzen Stoffe frei, die sauer reagieren und die Nährstoffe aus dem Boden lösen. Die gleiche Funktion hat bei Tieren die Magensäure, die u.a. aus einer starken Säure, nämlich Salzsäure, besteht. Die im Boden lebenden Mikroorganismen vom Springschwänzchen bis zu Bakterien, Algen und Pilzen setzen CO2 frei, dies bildet mit dem im Boden enthaltenen Wasser Kohlensäure, auch eine Säure.
  • Durch die Oxidation von Metallen (z.B. Eisen) und die chemische Verwitterung von Gestein wird im Boden Sauerstoff gebunden und ebenfalls CO2 freigesetzt, was wiederum gelöst in Wasser zu Kohlensäure (H2CO3) wird.
  • Regenwasser nimmt stets CO2 aus der Luft auf und ist dadurch immer leicht sauer.
  • Von saurem Regen spricht man, wenn der pH-Wert des Regens durch verschiedene Säuren, die durch Abgase aus Haushalten, Industrie und Verkehr entstehen, unter einem pH-Wert von 5,5 liegt. Darüber ist es ganz normales Regenwasser.


Dies zusammengenommen bewirkt mit der Zeit eine Versauerung des Bodens, die besonders bei verschlämmten, also geschlossenen Bodenstrukturen, stetig zunimmt. Boden muß ‚atmen‘ können, damit das CO2 entweichen kann und Sauerstoff an die Wurzeln der Pflanzen gelangt, den sie für ihr Wachstum ebenfalls benötigen. Die Bodenstruktur ist deshalb sehr wichtig für das Wachstum der Pflanzen. Sie muss offen, locker und luftig sein. Früher war man deshalb fleißig mit der Hacke zu Gange. Besser ist es jedoch dies den Regenwürmern und anderen Tierchen zu überlassen.

Verfügbarkeit von Nährstoffen

Die Verfügbarkeit von Nährstoffen für Pflanzen ist je nach pH-Wert unterschiedlich. Mykorrhiza-Pilze, mit denen die meisten Pflanzen in einer Art Symbiose leben, gedeihen am besten in einem leicht sauren Medium, Bakterien in einem leicht basischen. Mit einem Wert von 6,5 bis 7 können beide Bodenorganismen gut leben und arbeiten. Böden mit einem pH-Wert von über 7,5 sind normalerweise für Pflanzen kaum habitabel - die gibt es bei uns auch nicht.


Calcium (Ca) und Magnesium (Mg) sind wichtig für die Bodenstruktur und müssen in Balance sein, dies ist ebenfalls im neutralen Bereich der Fall.


Durch den natürlichen Gehalt an Calcium und vielen Mineralien im Boden und durch die Bodenlebewesen wird der Boden ‚gepuffert‘, d.h. die Säure wird umgewandelt und abgebaut, sonst würden schon längst keine Pflanzen mehr wachsen.


Es gibt nur relativ wenige Pflanzen, die einen pH-Wert von weniger als 5 vertragen. Dazu kommt, dass in einem so sauren Bereich auch vermehrt giftige Schwermetalle aufgenommen werden können, und das ist ungesund und weniger sinnvoll für die Kompostierung. Zu diesen Pflanzen gehören Heidelbeeren, da sollte man schon wissen, auf welchem Boden sie gewachsen sind.

Kann man den pH-Wert ändern?

Das ist doch recht schwierig, da die pH-Skala keine lineare sondern eine exponentielle Skala ist. Ein Wert, wie z.B. 5 muss um den Faktor 10 geändert werden, ist also 10 mal so sauer, wie der Wert 6 und hundertmal so sauer wie der Wert 7.


Den pH-Wert nach unten anzupassen ist fast unmöglich, wenn zu viel Kalk in Form von Carbonaten (z.B. Kalziumkarbonat) im Boden vorhanden ist. Der Traum vom japanischen Azaleen-Garten wird dann hinfällig. Dies ist bei unserem Boden im Garten nicht der Fall, sonst würden in den umliegenden Gärten nicht so viele Rhododendren und Hortensien, die einen sauren Boden benötigen, wachsen. Es lohnt sich also immer ein Blick in Nachbars Garten zu werfen um herauszufinden, was den da besonders gut wächst! Nicht nur auf die Kirschen.


Den pH-Wert nach oben anzupassen, also aus dem zu sauren Bereich herauszuheben ist dagegen besser möglich, indem man Kalk zuführt. Für den Garten verwendet man Kohlensauren Kalk oder Dolomit (Gips ist zu schwach, Brandkalk viel zu reaktiv, also zu stark alkalisch). Algenkalk ist ein milderer Kalk, der sehr gut auch auf Blätter, z.B. beim Buchsbaum, gestreut werden kann. Er ist jedoch für den Rasen, d.h. großflächig angewandt viel zu teuer.


Dolomit gehört wie Kalkstein zu den Karbonatgesteinen. Er besteht wie Kalk (Calciumcarbonat) aus nur einem Mineral, dem Dolomit, einer Calcium-Magnesium-Verbindung (Magnesiumcarbonat). Wie Kalk ist Dolomit durch Kohlensäure löslich, nur schwerer. Algenkalk besteht zu 70-80% aus Calciumcarbonat und zu 10-20% aus Magnesiumcarbonat.


Man kann also durch Kalkung einen zu säurebetonten Boden neutralisieren oder ‚puffern‘. Damit wieder ein höherer pH-Wert im Boden erreicht wird, ist dies manchmal mehrere Jahre hintereinander notwendig - am besten im Herbst, da im regenreichen Winter der Kalk besser gelöst wird als im Sommer. 


Für Pflanzen, die an einen sauren Boden angepasst sind, verwendet man am besten speziellen Dünger und spezielle Erde und sorgt dafür, dass der Boden immer gut mit Lauberde, am besten von derselben Pflanze oder mit Rindenmulch, der ebenfalls ein saures Milieu unterstützt, bedeckt ist. Eichenlaub gibt z.B. einen säurebetonten Kompost, da es viel Gerbsäure enthält. Es sollte, da es langsamer verrottet, gehäckselt oder mit dem Rasenmäher zerkleinert werden. Ach ja, Kaffeesatz soll auch für einen saureren Boden sorgen - mit der Zeit kommt schon einiges Zusammen und ich bin mir inzwischen sicher, dass meine Rhododendren ihn sehr mögen. Außerdem hält er bis zu einem gewissen Grad auch Katzen fern vom Beet.


Gerbsäure  ist nicht nur in Hölzern und Rinden sondern auch in vielen Früchten und Beeren vorhanden, bekannt ist z.B. die Gerbsäure als Tannin, die in Weinbeeren und anderen Beeren sowie in unreifen Früchten vorkommt. Säuren zerlegen Eiweisse in ihre einzelnen Bestandteile, z.B. Aminosäuren, die wiederum von Mensch, Tier und Pflanze aufgenommen und neu zu Eiweißen zusammengebaut werden (sog. ‚Proteinbiosynthese‘, da hab ich gerade mal in der Schule aufgepaßt).